Schon leicht abgestandene, aber immer noch gute Folge 25 vom anyca.st ist da. Direkt aus Berlin, aus meiner neuen Wohnung, vom Boden aus. Mit Heimat, Recht, Bahn und Moral. Und Bundesliga. Hören ist empfohlen.
Berlin
Seit 10 Tagen lebe ich schon Berlin. Friedrichshain ganz genau. 52m², großes Bad, dafür noch mit leerer Küche und keinem Bett. Meine Füße sind kurz vor’m abfallen. Ich möchte Möbelhäuser und Baumärkte für die nächste Zeit nicht mehr von innen sehen. Und als Begrüßungsgeschenk hat mir das Berliner Einwohnermeldeamt auch noch meinen Personalausweis eingezogen. Es ist schön hier.
Morgen ist mein erster Arbeitstag bei ressourcenmangel. In meinem Arbeitsvertrag steht »Junior Developer«. Mich wird viel erwarten, z.B. Typo3 und Ruby. Auch viele noch unbekannte Dinge. Und ein Mac. Als eingefleischter Windows-Nutzer eine interessante Herausforderung. Aber mehr als der Mac plagt mich die Sorge, die ganzen Erwartungen, die an mich gestellt werden, nicht erfüllen können. Mal schauen wie es laufen wird.
Berlin ist für mich was Besonderes. Ich weiß nicht ob ich diese Stadt hassen oder lieben soll. Es auch Hauptstadt für die digitale Elite und das digitale Moloch. In dieser luft- und blickdichten Filterbubble wollte ich nie sein und doch fallen ich in sie immer tiefer. Anderseits die Möglichkeiten die diese Stadt bietet. Die vielen nette Leute und Freunde, die hier (mittlerweile) leben. Und der ÖPNV.
Vielleicht ist diese Stadt wirklich das Beste für mich, wie viele sagen. Die beste Stadt für jemanden, der innerlich einen einzigen Konflikt austrägt. Keine Ahnung. Mal schauen. Erstmal bin ich hier angekommen. In Berlin.
Glashäuser sind kein sozialer Wohnungsbau
Wir stecken gerade in einer handfesten Krise unseres demokratischen Rechtsstaates. Wir erleben wie unsere Verbündeten unsere digitale Kommunikation systematisch überwachen und auswerten. Wir erleben, dass unsere Geheimdienste dabei kräftig mit partizipiert haben. Und wir erleben wie unsere Bundesregierung da sitzt, wissend oder unwissend mit den Schultern zuckt und nichts tut.
Wir sind im Wahlkampf. Dementsprechend fallen auch die Reaktionen aus der Opposition aus, vor allem aus der SPD. Ob vom „schwerst möglichen Versagen“ oder Bruch des Amtseids gesprochen wird, die Worte, die fallen, wiegen schwer. Und sie werden aus einer Position gesprochen, die mir Bauchschmerzen bereitet. Denn beim Ausmaß dieses Skandals müssen wir davon ausgehen, dass die SPD ihre Hände in dieser Suppe mitgebadet hat.
Es geht auch nicht darum, ob Genossinnen und Genossen am Schalter saßen, die Aufträge unterschrieben oder von den Ergebnissen profitiert haben. Wir als SPD haben das Klima geschaffen, in der Freiheitswerte einer brustalst möglichen »Sicherheit« unterworfen wurden. Nicht Hans-Peter Friedrich hat das »Supergrundrecht Sicherheit« entworfen, es war der ehemalige SPD-Innenminister Otto Schily, der 2003 davon sprach. Und dessen Geist lebt in der SPD weiter, ob nun in Form der Vorratsdatenspeicherung, Bestandsdatenauskunft oder anderer Sicherheitsgesetze. Ein Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürger. So ist einer der sozialdemokratischen Grundwerte, die Freiheit, uns abhanden gekommen. Im Zweifel für die Sicherheit.
Wenn heute Thomas Oppermann, der, wenn im Herbst die Wählerinnen und Wähler einen rot-grünen Wechsel ermöglichen, neuer Innenminister werden könnte, große Töne spuckt, Aufklärung von der Bundesregierung verlangt und dabei unsere eigene Verantwortung klein redet, wenn der ehemalige Geheimdienstkoordinator Frank-Walter Steinmeier schweigt, wie die aktuelle Person in diesem Amt, wenn die SPD an der Vorratsdatenspeicherung festhält und versucht ihre bisherige Position hübsch neu zu verpacken ohne zu sie zu überdenken, wie es die CDU mit dem Begriff der Mindestspeicherfirst tut, dann sind diese Worte, die fallen, nichts wert, wenn sie nicht sogar verlogen und heuchlerisch sind.
Wir als SPD tragen Mitverantwortung für das, wie es Heribert Prantl in der Süddeutschen beschrieb, Wegziehens des Boden auf dem unser Grundgesetz ruht. Dieses Fundament von Freiheits- und Grundwerte, auf das wir so stolz sind. Die richtige Antwort wäre jetzt zu erkennen welche Fehler wir gemacht haben und Mief von »Sicherheit über alles« über Bord zu werfen. Sich zu entschuldigen. Das wäre sozialdemokratische Haltung. Nichts anders.
P.S.: Wir kämpfen weiter und hoffen, auch im Zweifel gegen die Parteiführung, einen Beschluss gegen die Vorratsdatenspeicherung herbei zu führen. Und eins sei jetzt schon gesagt: Wir erwarten von einer rot-grünen Bundesregierung, dass Beschlüsse Bestand haben, sonst weht nicht nur von der Oppositionsbank der Wind hart.