Der doppelte Cyber-Sicherheitsrat

Seit August gibt es einen neuen „netzpolitischen“ Verein in Deutschland. Der „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ (VR 31808, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg) hat sich gegründet. Arne Schönbohm, „langjähriger Berater der Bundesregierung für strategische Sicherheitsfragen und Internetverbrechen„, ist Gründer und Vorsitzender, der gerne Pro-Überwachung argumentiert.

Im Interview „Überwachungs-Software sichert Wohlstand“ (alleine die Überschrift ist ja Gold wert!) im Oktober vergangenen Jahres ist Schönbohm bereits aufgefallen. Dort fordert er z.B. Online-Durchsuchungen von Computern und Cloudspeichern:

Bei den heutigen Problemen wie Kinderpornographie oder Terrorbanden sind die relevanten Daten auf Internetseiten und virtuellen Daten-Clouds gelagert. Deswegen ist hier der Zugang zu den Datenverbindungen und Online-Netzwerken erforderlich.

Außerdem soll mehr Geld in Überwachungstechnik investiert werden, 2% vom Haushalt des Innenministeriums wären nach seiner Ansicht sinnvoll. Woher das Geld kommen soll? Ganz einfach, wir entlassen Polizisten_Innen (von denen es eh schon zu wenig gibt) und privatisieren teilweise die Aufgaben der Polizei:

Zum Beispiel Polizeipersonal einsparen, dass sich um Handtaschendiebstahl und Sicherheit von öffentlichen Einrichtungen kümmert. Letzteres können auch private Firmen übernehmen.

Im Interview („Unterschätzte Gefahr„) mit der Welt am Sonntag spricht er sich vor allem für mehr Staat in Sachen Datensicherheit von Unternehmen aus, aber im Bereich des Datenschutzes („leicht schizophrene Verhältnisse“) sollte sich dieser zurücknehmen, nach dem Motto „Was Facebook macht, sollte auch der Staat machen dürfen“:

Bei Facebook erfahren wir vieles von Menschen, was eigentlich nicht jeder wissen sollte. Aber gleichzeitig darf der Staat zum Beispiel ein Bankkonto und ein Geburtsdatum nicht miteinander verbinden. Ich glaube, dass nationale Regelungen hier immer weniger praktikabel werden. Es wird höchste Zeit, dass die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder überlegen, wie sie weniger statt mehr Gesetze machen können.

Außerdem an Bord des „neutralen“ Vereins sind Hans-Wilhelm Dünn (CDU Potsdam), Werner Weidenfeld (Direktor des „Centrum für angewandte Politikforschung„, bis 2010 von Bertelsmann finanziert) sowie unser aller Liebling Bernhard Witthaut von der Gewerkschaft der Polizei (was der wohl von der Forderung Polizisten_Innen zu entlassen hält?).

Aber nicht nur die bekannten Aussagen von Schönbohm und seiner Mitstreiter lassen aufhorchen, auch der gewählte Vereinsname, denn eigentlich gibt es schon einen „Cyber-Sicherheitsrat“ (selbe Schreibweise!) in Deutschland, nämlich der der Bundesregierung und das schon seit Februar 2011 (bisher aufgefallen ist jedoch noch nicht). Dieser ist vor allem mit Regierungsbeamten_Innen und Wirtschaftsvertreter_Innen besetzt, „Vertreter der Wissenschaft werden bei Bedarf hinzugezogen“.

Eine Webseite des Vereins gibt es bisher nicht (bis jetzt war nicht mal die Domain „cyber-sicherheitsrat.de“ registriert) und mit dem „echten“ Sicherheitsrat hat Arne Schönbohm und auch die Vereinsgründung selber nichts zu tun, wie mir das Bundesministerium des Inneren per E-Mail bestätigt.

Was dann diese Okkupierung das Namens soll? Man kann es nur vermuten. Es kann natürlich hilfreich sein, wenn man öfters mit einer (seriösen) Regierungsstelle verwechselt wird, um seine Thesen (was bisher mit den Interviews und dem Buch scheinbar nicht geklappt hat) unters Volk bzw. in die Medien zu bringen. Ich halte es für ziemlich fragwürdig und will es eigentlich auch gar nicht hoffen. Also Augen auf beim „Cyber-Sicherheitsrat“, im Zweifel ist es „der Falsche“.

Lügen und Täuschen bis der Wichs brennt

Ich bin aktuell in Göttingen auf WG-Suche. Leider hat Göttingen hat ein Problem mit Burschenschaftlern und Verbindungen. Wenn man aber nicht nach ihnen sucht, nerven sie einen auch nicht, außer wenn man einen WG sucht, dann täuschen und lügen bis ihr Wichs brennt, denn in den meisten ihrer WG-Anzeigen machen sie nicht klar wessen Geistes Kind sie sind und beschönigen sogar noch was sie den Tag so treiben. Aus einer Anzeige der Verbindung Wingolf Göttingen (Abschnitt WG-Leben):

Wir sind keine Zweckgemeinschaft. Selbstverständlich geht jeder von uns eigenen Interessen nach und die Privatsphäre selbstredend eingehalten. Dennoch sollte man kein Eigenbrödler sein, sondern an den geselligen Abenden und Feiern durchaus partizipieren. Darunter fallen Grillabende sowie das ein oder andere Vortrinken, welches wir mit Freunden und Damen regelmäßig veranstalten, bevor wir uns in das Göttinger Nachtleben stürzen.

Unsere Gemeinschaft ist sehr veilfältig und besteht aus Studenten verschiedener Fachrichtungen und Semestern – vom Erstsemester bis zum Doktoranden ist alles vertreten. Verschiedenste Fachrichtungen, von Jura, BWL und VWL bis hin zu Lehramt, Politik, Ingenieurwissenschaften und Geschichte, sind bei uns Zuhause und ein reger Austausch auch über fachliche Grenzen hinaus garantiert.

Junge, gesellige und aktive Menschen sind bei uns sehr willkommen!

Hört sich doch gesellig an, oder? Das ist jedoch die Masche:

Man wisse aus Gesprächen mit Studenten, dass es Aussteigewillige gebe, die ihre Verbindungen verlassen möchten, so Projektbetreuer Erik Angermann. Die Betroffenen hätten sich oft etwa von günstigen Wohnangeboten locken lassen, ohne zu wissen, in welche hierarchischen Strukturen sie sich dort begeben.

Da die WG-Plattformen nichts gegen so ein Lügenpack vornehmen, bleibt einem nur ein wachsames Auge (7er WGs die nur Männer suchen oder die Adresse googlen z.B.) gegen Burschenschaften und Verbindungen.

Sparkassendirektoren podcasten nicht

Der anyca.st ist gerade in zweiter Sommerpause, jetzt nicht wegen fehlender Technik oder Terminproblemen, sondern wegen mir. Ein paar Gedanken…

Ich höre mir eigentlich jede Folge mehr oder weniger im Nachhinein größtenteils noch mal an. Ich bin nie zufrieden. Sobald die Aufnahme läuft schaltet bei mir im Kopf alles automatisch um. Ich drehe auf, werde zapplig, man versteht mich kaum. Meine Gedanken rauschen durch ohne Selbstreflexion oder wenigstens mit vorher mal drüber nachdenken, bevor man den Mund aufmacht. Der Ergebnis: Die meiste Zeit kommt größter Bullshit heraus, von Fakten stimmen nicht bis größtem Schwachsinn.

Ist die Aufnahme beendet, das Headset abgelegt, komme ich quasi zu mir. Ich bereue sofort. Mir fallen sofort vielen gesagte Dinge ein, die ein klar denkender Mensch einfach nicht sagt. Egal mit wie viel Konzentration ich an die Sache gehe, ich werde live immer eine andere Person. Das frustriertet mich. Mir fehlt immer mehr die Lust weiter zu podcasten.

Jetzt könnte man sagen: Mit dem Inhalt kann man so ein Defizit ausgleichen, oder es versuchen auszugleichen. Nur: Die meiste Zeit plappere ich mehr oder weniger das Weltgeschehen nach. Und das auch noch oft falsch. Ich kann kein Geschichtenerzähler sein. Mir fehlen die Geschichten. Ich bin aufregend wie ein Sparkassendirektor. Aufstehen, Schule, Nachmittag & Abend absitzen, Schlafen. Es liegt an meiner Natur: Ich bin strukturkonservativer Steinewerfer im Internet. Ich hasse Aufregung. Ich hasse Menschen. Ich kann einfach nichts erleben worüber man erzählen könnte.

Ich beneide Renke. Er schafft es mit einer gute Mischung aus Meinung, Jura und Geschichten die Leute zu unterhalten, am Ball zu halten. Und sein Humor verfeinert das Ganze. Ich glaube „der Erfolg“ von anyca.st ist sein Verdienst. Wegen ihm schalten die Leute in, mich ertragen sie. Alleine mein Lachen. Ich hasse es. Und das ist keine Anklage an Renke, eher Bewunderung. Ich klebe ja auch an Renkes Lippen die ganze Zeit.

Ich weiß ja nicht was die Hörer*innen denken. Ob sie glauben das ist Show oder ich wirklich so bin. Ich bin nicht so. Hoffentlich. Aber ich kann es nicht beurteilen. Viel Feedback kommt nicht, eigentlich gar nicht, nur Flattr, aber mit Geld kann man keine Sendung oder sich selber weiterentwickeln. Ich weiß nicht was ich ändern kann, aber dauerhaft abzuschalten will ich auch nicht, aber so weiter machen geht auch nicht. Vielleicht bleibt man doch nur die Erkenntnis: Sparkassendirektoren podcasten nicht.