Was ich bei „Christian Wulff: Rücktritt jetzt!“ gelernt habe

Auch wenn der Rücktritt von Christian Wulff schon einige Tage zurückliegt möchte ich über die Erfahrungen aus meiner Facebook-Kampagne „Christian Wulff: Rücktritt jetzt!“ und die Schlüsse, die ich auch daraus gezogen habe, berichten.

Entwicklung der Like-Zahlen vom 16.12.2011 - 13.03.2012 (Quelle: Facebook)
Entwicklung der Like-Zahlen vom 16.12.2011 – 13.03.2012 (Quelle: Facebook)

Die Fanpage selbst ging am 16. Dezember 2011 online, also einige Tage nach dem die erste Vorwürfe (Wulff hätte seinen Kredit vor dem Landtag in Niedersachsen verschwiegen) laut wurden. Von den reinen Like-Zahlen und der Benutzerinteraktion betrachtet lief die Seite bis Weihnachten und auch über Neujahr ganz ruhig. Eigentlich hatte ich schon das Ding abgeschrieben und dementsprechend auch „inhaltlich“ nicht mehr viel getan.

Am 2. Januar explodierte die Seite förmlich (an einem Tag von 850 auf etwas über 3100 Likes). Nach dem bekannt wurde das Christian Wulff dem Bild-Chefredakteur auf die Mailbox eine eher unfreundliche Nachricht gesprochen hatte wurde auch die Empörung in den Medien und auch „in der Bevölkerung“ (subjektive Empfindung) größer. Die Fanpage zog damit wie ein Magnet die Leute an.

Was eigentlich nicht überraschend sein sollte, aber für mich aber in der Menge am Ende, gerade bei so einem populistischen Themen, wie den Rücktritt einer öffentlichen Person, war der braune, rechte Mob, wo Einzelne immer wieder zu Gewalt aufgerufen haben. Auch die NPD nutze die Seite um ihren Müll abzuladen. Ohne einen ständigen Blick auf die Seite, Vorabkontrollen von Kommentaren und Beiträgen sind bei Facebook nicht möglich, wäre die Seite kein schöner Anblick gewesen. So musste ich die Notbremse ziehen und die Möglichkeit für Benutzerbeiträge abschalten, leider konnte ich nicht ständig die Seite überwachen und sauber halten. Meine Entscheidung habe ich auch transparent dokumentiert, was gerade im „rechten Lager“ nicht auf Gegenliebe stoß.

Auch ist mir aufgefallen, dass an Inhalten am Besten (also an Likes und Shares) vor allem Bilder (gerade „Diese Person…“-Pfeifbilder) und Karikaturen gezogen haben. Die Seite selber hat natürlich nix bewegt, Christian Wulff dürfte nichts mitbekommen haben, auch in der Presse (außer in den Online-Medien) selber gab es keine Erwähnungen (das war bei „C wie…“ anders). Sonstigen „Ärger“ gab es auch nicht.

Was habe ich aus dieser Aktion gelernt? Facebook ist eine Plattform, gerade wenn es sich um populistische Themen handelt (siehe auch die unzähligen Aufrufe zum Tank-Boykott), über die man schnell Leute mobilisieren kann, auch die „falschen“ Leute (Nazis und sonstige Spinner z.B.). Ich würde so etwas auch wieder machen, nur würde ich diesmal von Anfang Benutzerbeiträge immer moderieren (was dank der neuen Facebook-Timeline/Chronik möglich ist) und vor allem auf visuelle Elemente setzen (also z.B. ein Zitat nicht als Status sondern als Bild posten), die erreichen auf Facebook die größte Verbreitung.

Am Ende bleibt zu sagen, dass es viele Erfahrungen gelernt habe und mein Respekt vor Social-Media-Teams von Firmen, die Shitstorms erleben oder allgemein eher unbeliebt sind, gestiegen ist. Wer sich dafür interessiert, dem kann ich die Statistiken, die Facebook liefert, als Excel-Datei zuschicken.

CDU-Positionspapier zum JMStV: Viel Rauch für mehr Bürokratie

Es stand seit der Ablehnung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (JMStV) im Dezember 2010 sehr ruhig um das Gesetzeswerk, doch in letzter Zeit kommt das Thema wieder auf die Agenda. Der „Medienpolitische Expertenkreis“ der CDU hat nun ein Positionspapier vorgestellt, wo 5 Eckpunkte für den Jugendschutz im Internet vorgeschlagen werden.

Die zentrale Aussage ist: Die Verantwortung haben die Eltern. Das wir dringend eine Verankerung von Medienkompetenz und Digital Literacy in den Lernplänen von der ersten Klasse an brauchen wir mit keiner Silbe erwähnt, stattdessen sollen die Eltern Jugendfilter einsetzen und ihre Kinder am Computer und Smartphone überwachen. Ob technische Mittel für den Schutz überhaupt taugen wird erst gar nicht in Frage gestellt.

Damit die Filter auch was zu filtern haben soll weiterhin an der Kennzeichnungspflicht festgehalten und eine Stufe eingeführt werden. Blogs und andere Webseite mit User Generated Content (z.B. damit auch die Foren von cdu.de) sollen mit einem „B“ gekennzeichnet werden, sonst kommen sie nicht durch den Filter (wenn es die Eltern überhaupt erlauben), neben den bekannten Stufen 0, 6, 12, 16 und 18 Jahren (über deren Sinnhaftigkeit man auch wirklich mal sprechen sollte). Was das genau das zubedeuten hat, bleibt wirklich unklar. Auch ein Buzzword-Bingo wurde betrieben:

In Zukunft sollten die Blogger dann eigenverantwortlich die Reputation der Kennzeichnung „B“ hochhalten, indem sich die Szene selbst reguliert, z. B. durch das Instrument des „Crowd-Sourcing“. Damit würde ein Vorschlag der Netzcommunity unterstützt werden.

Wie ist das zu verstehen? Entweder sollen sich Blogger und Communities selbst bewerten oder andere? Die „Netzcommunity“ fordert da aber auch gar nichts. Die Ideen zum Thema Crowd-Sourcing in diesem Bereich sind noch recht experimentell und wirkliche Umsetzungen sind noch nicht mal geplant, von der Erforschung der Wirkung dieser abgesehen. Hier wäre die Politik aufgefordert Fördergelder für die Erprobung von möglichen Konzepten freizugeben, aber auch hier sollte klar sein: Das ist nicht „die“ Lösung.

Und überhaupt sind Filter in Form von Whitelists (also nur bestimmte Seiten sind freigegeben) höchstens bis zum Grundschulalter sinnvoll, wenn man überhaupt man seine Kinder vorher an einen Computer lässt, denn spätestens mit 12 wird die Umgehung der Filter (weil z.B. eine gewünschte Community oder Browser-Game gesperrt sind) zum Abenteuer für die Kleinen und dies wäre nur mit der ständigen Überwachung durch die Eltern zu verhindern, was einen massiven Eingriff in die Privatsphäre der Kinder und Jugendlichen bedeutet (z.B. wenn sie Informationen zum Thema Homosexualität suchen und gerade nicht von ihren Eltern entdeckt werden wollen).

Das Eckpunktepapiere bürgt noch weitere Highlights. So sollen neue Straftatbestände in Sachen Identitätsklau geschaffen werden, anstatt in Beratungsstelle online und offline für Cyber-Mobbing zu investieren. Außerdem ist mit einer Ausweispflicht bei der Erstellung eines E-Mail-Postfach zu rechnen, denn eine Auskunftspflicht gegenüber Opfern, wem z.B. ein Account gehört, soll geprüft werden.

Insgesamt ist das Papier sehr schwach, anstatt das Kind und seine Medienkompetenz in den Mittelpunkt zu stellen sollen Eltern und Webseitenbetreiber mit einem schwammigen „Verantwortungs“-Begriff neuen gesetzlichen Regelungen überzogen werden. Da bleibt die Forderung beim Jugendschutz alle Beteiligte durch „liquid democracy“-Tools einzubinden und der Verzicht auf Netzsperren nur ein kleiner Lichtblick.

Disclaimer: Ich bin Initiator der Aktion „jmstv-ablehnen.de“ und Mitglied im Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur, welcher sich auch intensiv mit dem Staatsvertrag beschäftigt.